Roche Hufnagl
Kunstschaffende hauchen dem Bahnhof Bruggen neues Leben ein.
Co-Schulleiter Matthias Vogel (links) begrüsste mit Christoph Bornhauser einen Weggefährten und Mentor zum Dorfplatzgespräch. tb
Im Dorfplatzgespräch an der Maitlisek präsentierte Pädagoge und Neurobiologe Christoph Bornhauser neue Lerntools, die auf Künstlicher Intelligenz beruhen. Dabei stellte er immer Bezüge zur Funktionsweise des menschlichen Denkens her und erklärte, weshalb sich Menschen Dinge merken können oder eben nicht.
Dorfplatz Im Begegnungsraum der Maitlisek begrüsst Co-Schulleiter Matthias Vogel die Gäste mit einleitenden Worten, in denen er unter anderem klarstellt: «KI wird nicht mehr verschwinden und sie verändert das Lernen und Lehren.» Dies bestätigt auch der Referent, der seit 40 Jahren im Haus des Lernens in Kreuzlingen wirkt und sich mit dem menschlichen Verhalten im Allgemeinen und Entwicklungsphasen sowie Lernprozessen im Besonderen beschäftigt. Dazu hält er seit vielen Jahren unter dem Pseudonym «Herr Bo» Vorträge. Seit seiner Pensionierung ist Bornhauser als Ambassador der Schule tätig und beschäftigt sich seit deren Aufkommen intensiv mit Künstlicher Intelligenz. Auch in diesem Bereich gibt er Pädagogen und weiteren Interessierten sein Wissen in Vorträgen weiter und sagt: «KI wird die Welt massiv verändern».
«Ich muss den Vortrag alle zwei Wochen anpassen, weil wieder neue Entwicklungen stattfinden», sagt Bornhauser lachend und gibt ein eindrückliches Beispiel der Fortschritte im Bereich KI. 3’000 Professoren wurden gebeten, je eine Detailfrage aus ihrem Fachgebiet zu stellen, die ausser ihnen kaum jemand beantworten kann. «Vor zwei Monaten erreichte die beste der getesteten KI acht Prozent richtige Antworten. Mit einer Weiterentwicklung sind es jetzt bereits 25 Prozent», erzählt er und schlussfolgert: «In fünf Jahren wird es überhaupt kein Thema mehr sein, ob die Informationen richtig sind. Das Universalwissen ist spätestens dann für jedermann permanent verfügbar.» Auf eine Frage zu möglichen Manipulationen durch KI erklärt Bornhauser: «Ich gehe davon aus, dass sich KI-Tools entwickeln werden, für die man bezahlt, die auf vertrauenswürdigen Quellen basieren und diese auch offenlegen. Und dann wird es kostenlose Tools geben, die ihre Antworten irgendwo aus dem Netz beziehen.»
Das Wissen, das er aus heutigen Anwendungen ziehe, reiche zwar nicht für wissenschaftliche Abhandlungen, aber sehr wohl für den gymnasialen Schulstoff aus. Das habe er in seiner Arbeit immer wieder festgestellt. Bornhauser führt den Zuhörenden eine KI vor, die aus einem Skript über die Evolutionstheorie kurzerhand einen lebhaften Dialog zwischen einer Frau und einem Mann kreiert. «Mit Dialogen lernt man besser als mit Monologen», erklärt Bornhauser. Generell gelte: Das menschliche Hirn speichert nur Informationen, die einen Bedeutungsmantel haben, alles andere verblasst im Kurzzeitspeicher innert rund zwei Tagen. Für Bedeutung sorgen Informationen, die Stress auslösen, Interesse wecken oder Sinn machen. «Da der Vorderlappen bei Jugendlichen noch nicht ausgereift ist, funktioniert das mit dem Sinn allerdings nicht. Sie können nicht etwas Lernen, weil es für später sinnvoll wäre», führt Bornhauser aus.
Entsprechend wichtig ist, dass sich Jugendliche Wissen aus Interesse aneignen, um es über die Prüfung hinaus speichern zu können. «Und dies gelingt, wenn sie Wissen mit ihrer Leidenschaft verbinden können», erklärt Bornhauser und zeigt auf, welchen Nutzen KI in diesem Bereich leisten kann. Er habe von der KI zu über 30 Lernzielen jeweils einen Bedeutungsmantel zu Mode, Sport oder Gamen herstellen lassen. «Wenn man in seiner Leidenschaft in die Tiefe geht, kommt man mit allen unterschiedlichen Fachbereichen in Kontakt. Und weil es die eigene Leidenschaft betrifft, bleibt alles abgespeichert», sagt Bornhauser. Und für die Zukunft hält er fest, dass es keine Ausbildung mehr ohne KI geben wird. Schriftliche Arbeiten könne man vergessen und das reine Abfragen von Wissen sei vorbei. Dagegen müssten die Schülerinnen und Schüler kooperativ arbeiten können. «Und Kooperation basiert auf Menschlichkeit», stellt Bornhauser fest. Er plädiert dafür, dass in der Schule die angeborenen menschlichen Qualitäten gefördert werden. Diese kann keine KI der Welt ersetzen.
Von Tobias Baumann
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