Nina Falk
Die Schauspielgruppe ermöglicht es Laien, auf der Bühne zu stehen.
Julia Buchmann als Frieda im Gerichtssaal. CondorFilms
Julia Buchmann spielt als Frieda Keller im Film «Friedas Fall» ihre erste Hauptrolle. Der Film basiert auf der wahren, in einem historischen Prozess gipfelnden Geschichte von Frieda Keller, die 1904 ihren Sohn getötet hatte.
Kino Seit knapp zwei Wochen läuft «Friedas Fall» in den Kinos. Julia Buchmann aus Herisau hat sich sehr darauf gefreut. «Ich war natürlich auch aufgeregt – nicht nur, weil es ein so intensiver und bedeutungsvoller Film ist, sondern auch, weil mir Friedas Geschichte sehr am Herzen liegt. Ich habe mich gefragt, wie das Publikum reagieren wird, ob es die Emotionen und die gesellschaftliche Relevanz der Geschichte genauso spüren wird wie wir beim Dreh», sagt Buchmann. Die Rückmeldungen, die sie bislang erhalten habe, seien unglaublich berührend. Viele Kinogäste erzählten ihr, dass sie noch lange nach dem Film über Friedas Schicksal nachdachten. «Besonders beeindruckt hat mich, wie oft Menschen sagen, dass sie wütend, aber auch bewegt aus dem Kino gegangen sind – weil der Film nicht nur ein Einzelschicksal zeigt, sondern ein System offenlegt, das Frauen jahrhundertelang unterdrückt hat», sagt Buchmann. Zu sehen, dass der Film Diskussionen anstosse und Menschen berühre, sei das Schönste, was man sich als Schauspielerin wünschen könne. Die Rolle der Frieda ist Buchmanns erste Hauptrolle in einem Kinofilm. «Als ich die Zusage für die Rolle bekommen habe, war ich unglaublich glücklich, dankbar und stolz. Friedas Geschichte ist so eindringlich und bedeutungsvoll, dass ich sofort spürte: Das wird eine besondere Reise – emotional, schauspielerisch und persönlich. Eine Hauptrolle in einem Kinofilm zu übernehmen, ist ein grosser Schritt. Es bedeutet, eine Geschichte über Wochen und Monate hinweg zu tragen, sich tief in eine Figur hineinzugeben und ihr Leben einzuhauchen», meint die 30-Jährige. Sie habe viel lernen und von sich zeigen dürfen und unglaublich viel Vertrauen bekommen – von der Regisseurin Maria Brendle, von Glaus & Gut Casting, die den Film besetzt haben, und von der Produktion Condor Films.
«Diese Unterstützung und dieses Vertrauen zu spüren, war ein riesiges Geschenk. Dieser Film ist weit mehr als nur ein Projekt – es ist eine Geschichte, die erzählt werden musste, und ich bin stolz, Teil davon zu sein», sagt die Schauspielerin. Sie zeigt sich fasziniert von der Ambivalenz in Friedas Geschichte. Auf den ersten Blick sei sie klar eine Täterin, doch je tiefer man eintaucht, desto mehr schäle sich ein Opfer des Systems heraus. «Was ich daraus mitnehme, ist, wie wichtig es ist, Menschen eine helfende Hand zu reichen, bevor man sie verurteilt. Friedas Fall zeigt, dass es immer Menschen braucht, die den Mut haben, sich für andere einzusetzen – selbst wenn es unbequem ist. Diese Geschichte hallt bis heute nach, weil sie grundlegende Fragen über Schuld, Moral und das Recht auf ein faires Urteil aufwirft», so Buchmann.
Der Fall löste damals Debatten aus und prägte 1904 die Anfänge der politischen Gleichstellungs- und Frauenrechtsbewegung in der Schweiz. «Aus heutiger Sicht ist es kaum vorstellbar, wie ungerecht Frieda damals behandelt wurde. Ihre Stimme wurde nicht gehört und das System war nicht darauf ausgelegt, Frauen wie sie zu schützen. Dass sich andere Frauen, wie der Bund Schweizerischer Frauenvereine, für Frauen wie Frieda eingesetzt haben, war sehr wichtig», sagt Buchmann. Es zeige, dass der Fall schon damals eine grössere gesellschaftliche Frage berührt hat: Wie geht man mit Frauen um, die Gewalt erfahren haben? «Ich sehe in Friedas Geschichte eine grosse Tragik, aber auch einen Wendepunkt – ihr Schicksal hat etwas ins Rollen gebracht, das weit über ihren Fall hinausging.» Bei den Vorbereitungen auf ihre Rolle hat sich Julia Buchmann immer wieder in Momenten gefunden, in denen sie sich mit Frieda verbunden fühlte. «Sie ist jemand, der lange stillhält, vieles erträgt – bis der Punkt kommt, an dem sie sich wehrt. Dieses innere Ringen, das Hadern mit gesellschaftlichen Erwartungen und dem eigenen Empfinden von Gerechtigkeit, das hat mich berührt. Ich glaube, was uns verbindet, ist die Suche nach Wahrheit – Frieda sucht nach Gerechtigkeit für sich selbst, und ich als Schauspielerin suche nach Wahrhaftigkeit in einer Figur. In ihr steckt so viel, das über die Zeit hinausgeht, und ich denke, genau deshalb berührt uns ihre Geschichte bis heute», sagt Buchmann.
Der Film wurde an Originalschauplätzen gedreht, so zum Beispiel in der Stiftskirche St.Gallen, im Klosterhof und in der St.Galler Altstadt. «Ich habe zehn Jahre in Deutschland gelebt, deshalb war es etwas ganz Besonderes für mich, drei Monate in der Ostschweiz zu verbringen und in meiner Heimat arbeiten zu dürfen», sagt Buchmann. Es sei sehr erfüllend gewesen, an so vertrauten Orten wie dem St. Galler Klosterhof zu drehen und diese historische Geschichte an Originalschauplätzen zum Leben zu erwecken. So sei eine besondere Verbindung zwischen Heimat, Drehort und Geschichte entstanden. «Die Landschaft, die alten Gebäude und die Atmosphäre haben enorm zur Authentizität des Films beigetragen.»
Die Herisauerin hat bereits als Kind die ersten Schauspielerfahrungen am Theater St.Gallen gemacht und ihr liebstes Hobby später zum Beruf gemacht. «Das Schöne am Beruf ist, dass er so vielseitig ist. Das Handwerk, mein Spiel ist unterschiedlich, ob ich auf der Bühne oder vor der Kamera stehe. Was ich lieber mag, kann ich nicht pauschal sagen, dafür liebe ich beides zu sehr. Erstmal lege ich meinen Fokus nun auf Film und darauf freue ich mich.» Sie möchte weiter Geschichten erzählen, die berühren und zum Nachdenken anregen. «Besonders interessieren mich vielschichtige, ambivalente Charaktere – Frauenfiguren, die nicht nur stark oder verletzlich sind, sondern beides zugleich. Rollen, die Widersprüche in sich tragen und die menschliche Komplexität zeigen.»
Stefanie Rohner
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