Ruth Inauen
Die 20. Guggennacht Engelburg ist die letzte, die sie organisiert.
Der Wolf wurde im April in Teufen von der Wildtierkamera festgehalten. z.V.g.
Vergangene Woche wurde in Trogen ein Schaf durch einen Wolf verletzt und ist verendet. Dabei handelt es sich um ein Schaf des Tierhalters, bei dem der Wolf bereits im Mai eine Ziege gerissen hat. Es ist der sechste Riss in diesem Jahr und der zweite innert einigen Tagen. Ein Abschuss hat der Wolf aber nicht zu befürchten.
Wolfsriss Für Tierhaltende gibt es kaum Schlimmeres, als eines der eigenen Tiere tot vorzufinden. Dabei wiegt der emotionale Schaden höher als der finanzielle. Nach dem Vorfall in Trogen wurden die Tierhaltenden der Region durch die kantonale Fachstelle Herdenschutz informiert und zu Herdenschutzmassnahmen aufgefordert. Doch sind sechs Risse überdurchschnittlich viel oder entspricht die Zahl den Vorjahren? «Verglichen mit Berggebieten, in denen ganze Rudel unterwegs sind, handelt es sich um wenige Risse. Aber im Vergleich zu den Vorjahren sind es eher viel – so viel wie in keinem Jahr zuvor», sagt Andres Scholl, Leiter Abteilung Natur und Wildtiere in Herisau. Wie die «Appenzeller Zeitung» schreibt, forderte der Bauernpräsident Beat Brunner die Behörden zum Durchgreifen auf, diese Wölfe müsse man eliminieren. Doch der Kanton kann nichts unternehmen. «Wir sind weit von einem Abschuss des Wolfs M437 entfernt. Es wurde erst ein Tier aus einer geschützten Herde gerissen», sagt Scholl.
Laut eidgenössischer Jagdverordnung müssten mindestens sechs Nutztiere innert vier Monaten gerissen werden, bevor der Kanton handeln könnte. «Wohl gemerkt sechs aus einer geschützten Herde und die Nutztierrisse müssen dem gleichen Wolf zugeordnet werden können», so Scholl. Deshalb können die bisherigen Nutztierrisse in diesem Jahr dem Wolf nichts anhaben, bei den meisten Tieren bestanden keine Herdenschutzmassnahmen. «Schadstiftende Wölfe will man entfernen. Das sind solche, die gelernt haben, den Herdenschutz zu umgehen, also zum Beispiel, wenn sie Flexizäune mit viel Strom überwinden können – oder wenn sie auffälliges Verhalten gegenüber Menschen zeigen», so Scholl. Die jeweiligen Schäden versucht man, dem einzelnen Wolf zuzuordnen, deswegen werde auch immer eine DNA-Probe entnommen. «Bislang konnte in zwei Fällen das männliche Tier M437 nachgewiesen werden», sagt Scholl. Hat sich das männliche Tier hier niedergelassen? «Schwer zu sagen. Männliche Wölfe streifen mit dem primären Ziel umher, auf ein weibliches Tier zu treffen, um ein Paar und Rudel zu bilden. Daher ist nicht anzunehmen, dass er sich niederlässt, da es bisher keine Sichtungen eines zweiten Wolfes gab», sagt Scholl.
Vergangene Woche hat es nun zum zweiten Mal denselben Tierhalter getroffen – das sei keinesfalls unüblich. «Wie auch wir Menschen versucht der Wolf, sein Leben so einfach wie nur möglich zu gestalten. Hat er an einem Ort die Erfahrung gemacht, an Essen zukommen, wird er dorthin zurückkehren. Das ist bei allen Raubtieren und Pflanzenfressern so», erklärt Scholl. Deshalb seien die Tierhalterinnen und Tierhalter dringend aufgefordert, ihre Nutztiere zu schützen. «Vor allem, wenn es bereits einen Riss gab. Das Risiko, dass der Wolf erneut zuschlägt, ist gross.»
Er könne die Sorgen der Tierhaltenden sehr gut nachvollziehen. Da der Wolfsbestand schweizweit zunimmt, sei man herausgefordert, sich auf eine Koexistenz mit dem Wolf einzustellen und auf das wirksamste Mittel, den Herdenschutz, zurückzugreifen. «Die Wölfe sollten sich gar nicht erst an die Nutztiere als Beute gewöhnen. Und wenn er diese vermehrt erfolgreich reisst, gewöhnt er sich schnell daran», so Scholl. Niemals sollte man abwarten, bis eine Meldung über einen Riss oder eine Sichtung kommt, dann sei es meist zu spät. «Ein Wolf kann über Nacht bis zu 60 Kilometer zurücklegen. Es ist immer mit ihm zu rechnen», meint Scholl. Eine präventive Regulierung ist bislang nur für Rudel vorgesehen, nicht aber für Einzeltiere. Bei Individuen könne auch schlecht abgeschätzt werden, was sie machen und wo sie hingehen.
Mit der aktuell geltenden Gesetzgebung werden bei einem Riss alle Tierhaltenden entschädigt – auch jene ohne Herdenschutzmassnahmen. «Das könnte sich aber mit der Revision der Jagdverordnung ändern. In dieser ist vorgesehen, dass nur Tierhaltende mit entsprechenden Schutzmassnahmen, entschädigt werden. Wird ein Tier gerissen, erhält der Halter zwischen ein paar wenigen hundert Franken bis zu tausend Franken. «Dabei spielt eine Rolle, welches Tier es war, wie alt es war und ob es sich um ein spezielles Nutztier gehandelt hat», meint Scholl.
Beim gerissenen Schaf von vergangener Woche kann nicht genau gesagt werden, ob es derselbe Wolf war, aber es sei davon auszugehen. «Wir konnten keine DNA-Probe nehmen, da das Tier äusserlich zu wenig stark verletzt war und viel Zeit vergangen ist, bis der Wildhüter das Schaf untersuchte», meint Scholl. Die Wildhut sei immer gefordert, DNA zu entnehmen, wenn das möglich sei. «Ein Wildhüter würde durch das Rissbild allein schon wissen, ob es ein Wolf war oder nicht. Aber so kann genau gesagt werden, ob es dasselbe Tier war oder nicht», sagt Scholl. Diese Proben müssen nicht durch den Kanton bezahlt werden, das wird gesamtschweizerisch über den Bund und durch «KORA» – Raubtierökologie und Wildtiermanagement – übernommen. In Bezug auf den Herdenschutz werden Tierhaltende mit Beträgen vom Bund unterstützt. «Beim Kanton haben die Tierhaltenden die Möglichkeit, sich jederzeit beraten zu lassen, damit sie bestmöglich für die Situation Wolf eingerichtet sind und wissen, was aktuell gilt. Dazu führen wir ab und an Veranstaltungen durch», sagt Scholl. Er appelliert an die Landwirte, einen guten Herdenschutz zu ergreifen. «Wir müssen lernen, mit dem Wolf zu leben.»
Stefanie Rohner
Lade Fotos..