Samuel Zuberbühler
will mit Zwischennutzung des Waaghauses die Innenstadt beleben.
Matthias Meier entwickelt seit über zwei Jahren das Naturmuseum mit grosser Leidenschaft weiter.
Matthias Meier und sein Team setzen sich gemeinsam für ein qualitativ hochwertiges, besucherfreundliches und visionäres Naturmuseum ein. Im Interview erzählt der doktorierte Erdwissenschaftler von seiner Begeisterung für die Natur, wie neue Ausstellungsstücke ausgewählt werden und welche Botschaften er den Besucherinnen und Besuchern mit auf den Weg geben möchte.
Matthias Meier, können Sie uns etwas über Ihre persönliche Begeisterung für Natur und Museen erzählen?
Museen spielten für mich persönlich schon immer eine besondere Rolle bei der Vermittlung naturwissenschaftlicher Inhalte. Ich erinnere mich noch an meine frühe Kindheit in Genf und das naturhistorische Museum dort. Auch aus dem Zürcher Oberland, wo ich den zweiten Teil meiner Kindheit und meine Jugendzeit verbrachte, ist mir das Sauriermuseum Aathal, an dem ich in meiner Studienzeit auch Führungen durchführen konnte, in bester Erinnerung. Im Rahmen meiner Forschungen war ich mehrere Wochen in Chicago, wo ich am Field Museum of Natural History, einem der grössten naturkundlichen Museen der Welt, forschen und arbeiten konnte. Das war eine sehr spannende Horizonterweiterung.
Wo haben Sie bereits Ihre Spuren hinterlassen und in welchen Bereichen haben Sie das noch vor?
Viele meiner bisherigen Spuren sind für die Besuchenden nicht sichtbar, da sie vor allem das Museumsteam und die internen Abläufe betreffen. Das Programm der Sonderausstellungen wird von mir gemeinsam mit der erweiterten Museumsleitung geprägt. Auch der neue Ausstellungsbereich «Mensch und Universum» trägt meine Handschrift – zusammen mit jener unseres Haus-Szenografen Tobias Rüegg. Auch die experimentellen Initiativen im Bereich «Augmented Reality» und «Virtual Reality» habe ich angestossen. Wir planen weitere Verbesserungen, Aktualisierungen und Erweiterungen in der gesamten Dauerausstellung – und ums Museumsgebäude herum. Es werden also noch mehr Spuren werden.
Was planen Sie für dieses Jahr?
In diesem Jahr werden wir noch zwei Sonderausstellungen zeigen: «Fledermäuse» über den Sommer und nach den Herbstferien dann «Eiszeit». Bis zum Ende des Jahres wollen wir den neuen Ausstellungsbereich «Mensch und Universum» fertigstellen und eröffnen. Danach werden wir verschiedene Teile der bestehenden Dauerausstellung punktuell erneuern, erweitern und ergänzen.
Wie werden Ausstellungsstücke beispielsweise für den neuen Ausstellungsbereich ausgewählt?
Oft sind es Schenkungen. Das kann die Mineraliensammlung des verstorbenen Grossvaters sein, ein toter Vogel, der mit einer Scheibe kollidiert ist oder ein ungewöhnlicher Stein, der in einem Bach gefunden wurde. Manchmal kaufen wir besondere Objekte spezifisch für eine Sonderausstellung an, oder weil sich eine spontane Gelegenheit ergibt, eine bestehende Museumssammlung sinnvoll zu ergänzen. Manchmal kommt es auch zum Austausch von Objekten mit anderen Museen, auch international. Im Allgemeinen sind wir aber eher wählerisch bei Anschaffungen. Jedes neue Objekt benötigt Platz und bedeutet einen Aufwand, manchmal über Jahre hinaus, der zu rechtfertigen und gegenüber anderen Aufgaben abzuwägen ist.
Sie erwähnten «Augmented Reality» und «Virutal Reality» – wie verändert die Digitalisierung das Museum?
Wie viele Naturmuseen hat sich auch das Naturmuseum St.Gallen aus einem naturkundlichen Kuriositätenkabinett entwickelt. Davon sind wir heute weit entfernt: Museen sind Zentren des Staunens und des Lernens geworden. Die früher so populären Vitrinen und Schaukästen sind zu einem grossen Teil verschwunden. Die Erwartungen an die Interaktion, Animation und die digitale Einbettung von Museumsobjekten sind ebenfalls gestiegen. Wir probieren auch hier immer wieder etwas Neues aus, ohne es dabei zu übertreiben. Das Museum soll auch ohne Handy Spass machen!
Apropos Spass: Was hat Sie seit dem Stellenantritt am meisten begeistert?
Ich bin immer wieder beeindruckt von meinem Team – von den Fähigkeiten, von der anhaltenden Begeisterung für die Arbeit, vom Willen, das beste denkbare Naturmuseum mitzugestalten – auch über das eigene Gärtchen hinaus. Mir wird immer wieder bewusst, was für ein Privileg es ist, an diesem Ort arbeiten zu können.
Privilegiert, aber gleichzeitig auch in der Pflicht, die Öffentlichkeit für Umweltthemen und Naturschutz zu sensibilisieren?
Sie kennen das Bonmot: wir schützen nur, was wir kennen. Wir bieten die Möglichkeit, die regionale Natur in einem geschützten und ansprechenden Rahmen kennenzulernen und eine Vorstellung zu entwickeln, wie die Natur funktioniert. Die grosse Auswahl und unsere laufenden Ergänzungen zu aktuellen Themen stellen dabei sicher, dass bei jedem Besuch wieder Neues entdeckt werden kann. Wir sind darüber hinaus auch in der Beratung zur Siedlungsökologie aktiv. Dies geschieht vor allem über das kantonal unterstützte Projekt «Naturinfo» (naturinfo.ch), das Informationen über die einheimische Fauna, Flora sowie Massnahmen zu ihrer Förderung und ihrem Schutz bereitstellt.
Welche Botschaft möchten Sie den Besuchern Ihres Museums mit auf den Weg geben?
Dass die belebte und unbelebte Natur um uns herum enorm komplex, vielseitig, faszinierend und schützenswert ist. Dass wir Menschen dank der Naturwissenschaft schon vieles über die Natur entdecken konnten und dass wir auch weiterhin den grössten Rätseln auf der Spur sind, es aber auch vieles gibt, das wir schlicht noch nicht wissen. Dass der Mensch zwar erst einen erdgeschichtlichen Lidschlag auf der Erde ist, diese aber in dieser kurzen Zeit bereits beträchtlich verändert und beeinflusst hat. Und schliesslich, dass jede und jeder für sich herausfinden muss, wie wir mit diesen Einsichten umgehen.
Interview von Benjamin Schmid
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