Gabriela Eberhard
hat eine Interpellation zur Befalggung der Stadt zur Pride 2025 eingereicht.
Valentin Keel wurde vor 150 Jahren geboren. z.V.g.
Der St.Galler Regierungsrat Valentin Keel wurde vor 150 Jahren geboren. In seiner Amtszeit hat er stark mitgeholfen, das Leben etlicher Verfolgter an der Grenze zu Österreich zu retten. Doch letztlich hat er Polizeikommandant Paul Grüninger als seinen Helfer fallen lassen, um seine Position zu sichern. Seine humane Ausrichtung ist daher umstritten, doch es bleiben grosse Leistungen zu würdigen.
Flüchtlingspolitik Aufgewachsen ist Valentin Keel in bescheidenen Verhältnissen in Rebstein. Nach dem Besuch der Sekundarschule in Altstätten absolvierte er aufgrund seiner künstlerischen Begabung eine Zeichnerlehre in St.Gallen. Mehrere Jahre wirkte er als Stickereizeichner in München. 1901 liess er sich in der damaligen Gemeinde Straubenzell nieder. 1912 wurde er Sekretär des Stickereipersonal-Verbandes und erkannte dabei die Gefahren, die seinen Kollegen im Beruf und der ganzen Stickereiindustrie drohten. Vier Jahre später wurde er bei einem äusserst bescheidenen Salär Redaktor der sozialdemokratischen «Volksstimme». In dieser Zeitung kämpfte er mit Artikeln gegen die damals herrschenden sozialen Missstände. Er steuerte aber auch einen geraden Kurs gegen den Anschluss an die dritte Internationale und stellte sein Blatt auch Hermann Greulich zur Verfügung, dem in Zürich das «Volksrecht» gesperrt worden war.
1930 bis 1943 gehörte Keel der St.Galler Regierung an und führte das Polizeidepartement, wo ihm harte Jahre mit dem Faschismus im Süden und dem Nationalsozialismus im Norden bevorstanden. Die Fünften Kolonnen und die Fronten im Innern bedrohten die Unabhängigkeit der Schweiz, was St.Gallen als Grenzkanton zu besonderer Wachsamkeit zwang. Um sich seinem Amt voll widmen zu können, trat Keel 1930 aus dem Nationalrat zurück, dem er seit 1919 angehört hatte. 1933/34 und 1939/40 war er Landammann. Er schuf ein fortschrittliches Arbeitslosengesetz und erweiterte die Hilfe für ausgesteuerte Arbeitslose. St.Gallen war einer der ersten Kantone, die die Krisenhilfe einführte. Unerschrocken nahm er den Kampf gegen die Nazis auf. Den Fröntlern trat er mutig entgegen und liess sich auch durch Drohungen nicht einschüchtern. Ein schweres Problem bildete der Flüchtlingsstrom und der Einmarsch Hitlers in Österreich.
Den ständigen Weisungen aus Bern wich er lange aus. 1939 trat der Vaterländische Verband gegen die Wiederwahl Keels in den Regierungsrat an, doch bekundete ihm das St.Galler Volk weiter Vertrauen. Doch auch Angriffe aus der eigenen Partei blieben ihm nicht erspart. Trotz der grossen Bürde seines Amtes behielt er seinen goldenen Humor und stach weiterhin durch sein grosses Rednertalent hervor.
Die Rückdatierung von Einreisedokumenten um einige Tage vor der Grenzsperre scheint Keel zumindest geduldet zu haben. Sein geändertes Verhalten gegenüber Paul Grüninger ist noch immer nicht restlos geklärt. Jedenfalls war der Druck aus Bern so gross geworden, dass er heftige Attacken gegen ihn und die Gesamtregierung zu befürchten hatte. Deshalb beantragte er der Gesamtregierung unter Hinweis auf einen Untersuchungsbericht die Entlassung Grüningers gegen den Widerstand von zwei Regierungsräten. Dabei kamen im Regierungsratszimmer auch Gerüchte zur Sprache, wonach sich Grüninger mit jungen Jüdinnen vergnügt haben soll, worauf Regierungsrat Kobelt, der spätere Bundesrat, gemäss Protokoll bemerkte: «Cherchez la femme». Es wurde ein Untersuchungsverfahren gegen Grüninger beschlossen. Grüninger betonte in den Befragungen, im Sinn und Geist Keels gehandelt zu haben, der aus ihm unerklärlichen Gründen nicht mehr zur Sache stehe. Dennoch kam es zur fristlosen Entlassung wegen «Urkundenfälschung und Amtspflichtverletzungen» unter Streichung des Lohnes und einer Rente. Diese Kehrtwende dürfte Keel wohl auch deshalb vorgenommen haben, weil er selbst eine Entlassung beziehungsweise einen unfreiwilligen Rücktritt zu erwarten hatte. Eine Rente war in einer solchen Situation damals nicht vorgesehen, weshalb er auch Existenzprobleme zu befürchten hatte. Zurück in seinen ursprünglichen Beruf konnte er nicht gehen, da er seit Jahrzehnten nicht mehr in diesem wirkte und die Stickerei am Boden lag. Damit lässt sich sein Verhalten allerdings nicht rechtfertigen. Es bleibt trotz nicht restlos geklärter Lage dabei, dass der Polizeikommandant eine «Schuld» zugeschoben bekam, die im Grunde als politische Verantwortung durch die ihn nun denunzierende Regierung zu tragen gewesen wäre. Zurecht wurde Grüninger 1993 rehabilitiert. Keels soziale Leistungen und die Rettung von Flüchtlingen in einer ersten Phase gilt es nach wie vor zu würdigen. Heinz Roschewski schrieb in seinen Lebensbilden sanktgallischer Sozialisten über Keel: «Hilfreich öffnete er Verfolgten und Gehetzten unsere Grenze, selbst wenn es auf Kosten engherziger Paragraphen gehen mochte und selbst wenn wieder sogenannte 'vaterländische' Kreise wie 1918 eine Hetze gegen ihn entfesselten.»
Die Jahre nach seinem Rücktritt waren von einer schweren Krankheit überschattet, der Valentin Keel 1945 erlag.
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