Samuel Zuberbühler
will mit Zwischennutzung des Waaghauses die Innenstadt beleben.
Ursula Forrer, Präsidentin der Stiftung Zeitvorsorge.
Zum Jubiläum lud die Stiftung Zeitvorsorge kürzlich zu einem Symposium im Square der Uni St.Gallen ein. An der Veranstaltung diskutierten Branchenvertreter und Experten Lösungsansätze für die Betreuung älterer Menschen mittels Zeitbanken und Zeittausch-Modellen.
Freiwilligenarbeit «Die Veranstaltung war ein grosser Erfolg. Ich habe nur positive Rückmeldungen erhalten», sagt Ursula Forrer, Präsidentin der Stiftung Zeitvorsorge. Der Andrang war gross. So war die Veranstaltung mit 220 Besucherinnen und Besuchern komplett ausgebucht. Daran änderte auch die Absage des angekündigten Altbundesrats Pascal Couchepin nichts, welcher sich aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig entschuldigen liess.
«Die Menschen werden immer älter und mit zunehmendem Alter werden sie auch immer einsamer. Häufig wohnen die Angehörigen weit weg und sind kaum erreichbar. Genau hier setzt die Stiftung Zeitvorsorge an», so Forrer. Grundsätzlich gehe es beim Zeittausch-Modell darum, dass Menschen der dritten Generation ihre Zeitressourcen betagten Menschen der vierten Generation zur Verfügung stellen. Gerade Menschen, die in Pension gehen und dadurch viel Zeit zur Verfügung haben, suchen oft nach einer sinnvollen Beschäftigung. Bei der Stiftung Zeitvorsorge werden sie mit betagten Menschen zusammengeführt, um ihnen im Alltag zu helfen und mit ihnen beispielsweise einkaufen zu gehen oder einfach Zeit zu verbringen. Man geht spazieren, spielt Spiele, unterhält sich oder backt Weihnachts-Guetzli zusammen. Die Zeit, die man aufgewendet hat, wird einem gutgeschrieben, sodass man, wenn man selbst einmal betagt ist, das Zeitguthaben in Anspruch nehmen kann. «Personen, die kürzlich pensioniert wurden, stecken meist noch voller Tatendrang und sehnen sich nach einer sinnvollen Beschäftigung. Das Zeittausch-Modell hilft also nicht nur den Betagten, sondern auch den Freiwilligen», erklärt Forrer. Die Stiftung Zeitvorsorge ist zwar nicht die einzige Organisation in der Schweiz, die einen solchen Service anbietet, sie ist jedoch die einzige mit einer finanziellen Absicherung. Hierzu arbeitet die Stiftung mit den Städten Rapperswil und St.Gallen sowie seit diesem Jahr auch mit der Stadt Gossau zusammen. «Unsere Zeitbanken sind finanziell abgesichert. Sollte die Stiftung Zeitvorsorge unerwartet nicht über ausreichend Freiwillige verfügen oder aus anderen Gründen ihre Tätigkeiten einstellen müssen, würde die geleistete Zeit der Freiwilligen von der jeweiligen Stadt vergütet, beziehungsweise im Sinne der Zeitvorsorge eingelöst werden. Damit erhält das Modell einen öffentlichen und verbindlichen Charakter», so Forrer.
Die Idee hinter dem Modell der Stiftung Zeitvorsorge stammt aus einer Rede von Pascal Couchepin aus dem Jahr 2007. Dieser sprach damals auf der St.Peterinsel auf dem Bielersee in einer öffentlichen Diskussion über Zeitbanken-Modelle. 2014 entstand aus dieser Idee die Stiftung Zeitvorsorge und mit ihr schliesslich das erste Modell dieser Art in der Ostschweiz. Zurzeit verfügt die Stiftung in St.Gallen über rund 350 und in Rapperswil-Jona über rund 150 freiwillige Zeitvorsorgende. Seit dem operativen Start 2014 wurden so allein in St.Gallen rund 80'000 Arbeitsstunden von Freiwilligen geleistet. Die Stiftung pflegt zudem eine enge Zusammenarbeit mit Organisationen wie der Spitex, Pro Senectute oder dem Schweizerischen Roten Kreuz. Fahrerinnen und Fahrer des Roten Kreuzes können im Rahmen der Stiftung Zeitvorsorge zum Beispiel Fahrdienste leisten oder Ausflüge organisieren und sich die geleistete Zeit ebenfalls auf ihr Zeitkonto gutschreiben lassen. Man sehe sich daher nicht als Konkurrenten, sondern könne sich in vielerlei Hinsicht ergänzen. «Pflegearbeiten müssen nach wie vor Organisationen wie die Spitex übernehmen, da unsere Freiwilligen nicht für die Pflege ausgebildet sind», erklärt Forrer. «Der grosse Vorteil an unserem Modell ist, dass für die Betagten keine weiteren Kosten anfallen. Es ist eine Art Nachbarschaftshilfe. So können auch alte Menschen mit beschränkten finanziellen Mitteln unsere Angebote in Anspruch nehmen.» Die Stiftung plant ihre Tätigkeit in Zukunft auf weitere Städte in der Ostschweiz auszubreiten.
Zum Auftakt des Symposiums hatte Stadträtin Sonja Lüthi einige Worte an die Versammelten gerichtet, bevor Pionierinnen und Pioniere der Stiftung Zeitvorsorge einen Blick auf die vergangenen zehn Jahre warfen. Danach folgten Erfahrungsberichte von Zeitvorsorgenden und eine philosophische Betrachtung des Alters mit Keynote-Speaker und Bestsellerautor Ludwig Hasler. Nach dem Mittag teilte Heike A. Bischof-Ferrari, die Leiterin der universitären Altersmedizin Zürich, Erkenntnisse aus der Altersforschung. Anschliessend wurden verschiedene Zeittauschmodelle im Vergleich vorgestellt. Hierzu präsentierten einerseits Vertreter der Fondation KISS, der Nachbarschaftshilfe Schweiz und der Stiftung Zeitvorsorge die Vorteile, Chancen und Herausforderungen der jeweiligen Zeitbank-Systeme. Andererseits teilten die Verantwortlichen von St.Gallen, Rapperswil-Jona und Gossau, welche alle das Zeittausch-Modell der Stiftung Zeitvorsorge eingeführt haben, ihre bisherigen Erfahrungen mit dem Modell. Zum Abschluss der Veranstaltung diskutierten Alexander Seifert, Experte für gerontologische Wohn- und Techniksoziologie, Andreas Dreier, Leiter Spitex und Sozialdienst der Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich und Ulrich Otto, Alters-, Wohn- und Gesundheitsforscher an der OST zusammen mit Eric Schirmann, Geschäftsführer der Stiftung Hausen und Wohnen über Smart-Home-Technologien und deren Nutzen für das häusliche Umfeld im Alter.
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