Nina Falk
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Nationalrat Mike Egger will mit Massnahmenkatalog gegen steigende Kriminalität in der Schweiz vorgehen. ⋌Symbolbild
Die polizeiliche Kriminalstatistik 2023 zeigte in der Schweiz das zweite Jahr in Folge einen Anstieg der begangenen Straftaten. Eine besorgniserregende Entwicklung, wie der St.Galler Nationalrat Mike Egger findet. Der SVP-Politiker hat deshalb nun einen Katalog mit 35 Massnahmen vorgestellt, wie er die Kriminalität in der Schweiz bekämpfen will.
Politik Der St.Galler Nationalrat Mike Egger will der Kriminalität in der Schweiz den Kampf ansagen. 2023 stieg die Anzahl der Straftaten, die in der Schweiz begangen wurden, erneut an. Nachdem zwischen 2021 und 2022 die Zahl der registrierten Straftaten nach Strafgesetzbuch bereits um 10,5 Prozent gestiegen war, wurde auch zwischen 2022 und 2023 ein Anstieg von knapp 460'000 auf gut 520'00 Straftaten registriert, was einem Anstieg von 14 Prozent entspricht. Die Zunahme ist insbesondere auf Vermögensdelikte wie Diebstahl und Betrug zurückzuführen, welche im vergangenen Jahr um ganze 17,6 Prozent zugenommen haben. Ebenfalls stark zugenommen haben Straftaten im digitalen Bereich (+31,5 %) und auch die Gewaltstraftaten haben leicht zugenommen (+ 5,9 %). Eine Entwicklung, die SVP-Nationalrat Mike Egger nicht hinnehmen will. «Der drastische Anstieg ist Besorgnis erregend. Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir die Zahl der Kriminalfälle in der Schweiz wieder reduzieren können», so Egger. Obschon auch im Kanton St.Gallen insgesamt ein Anstieg an Straftaten gegen das Strafgesetzbuch von 12 Prozent festgestellt werden konnte, gibt es bei den Gewaltdelikten eine positive Entwicklung. Die Zahl der Gewaltdelikte nahm von 2022 auf 2023 um sechs Prozent ab. Die Zahl der schweren Gewaltverbrechen, wie Tötungsdelikte, Körperverletzung und Vergewaltigung, nahm gar um 16 Prozent ab.
Laut Egger erklärt sich der schweizweite Anstieg an Straftaten damit, dass in der Schweiz zu wenig abschreckende Urteile gesprochen würden und die Haftbedingungen im Vergleich zu anderen Ländern zu gut seien. Wissenschaftliche Belege für diese Vermutung führt er keine an, verweist aber auf einen Blickartikel vom 16. Mai mit dem Titel: «Tunesier schwärmen von Schweizer Gefängnissen». «In anderen Ländern schwärmen die Leute von unseren Gefängnissen. Wir werden belächelt, weil wir Insassen hier so gut behandeln. Es muss Schluss sein mit Kuscheljustiz und Gefängnisluxus», so Egger. Nun will der St.Galler Nationalrat mit 35 gezielten Massnahmen gegen die steigende Kriminalität vorgehen. Im Vordergrund stehen dabei die strengere Bestrafung der Täter und die Verschärfung der Haftbedingungen. Zehn der Massnahmen sehen eine Anpassung des Strafgesetzes vor. Egger schlägt eine Erhöhung der Mindest- und Höchststrafen für schwere Verbrechen, härtere Strafen für Angriffe auf Polizei, Feuerwehr und Sanitäter, längere Haftstrafen bei Rückfallkriminalität oder auch eine konsequente Anwendung der Bestimmungen zur Verwahrung von besonders gefährlichen Straftätern vor. Weiter fordert er eine Abschaffung der bedingten Geldstrafe oder auch eine Einschränkung des bedingten Strafvollzugs für Wiederholungstäter und bei schweren Straftaten. Eine weitere Massnahme ist die konsequente Strafverfolgung auch bei leichten Vergehen wie Ladendiebstahl. «Im Kanton Basel rückt die Polizei bei Ladendiebstahl mit Diebesgut im Wert von weniger als 300 Franken nicht einmal mehr aus. Das ist nicht das, was ich mir für die Schweiz wünsche», begründet Egger seine Forderung. Weitere Anpassungen am Strafgesetz, die Egger sich wünscht, sind die systematische Überwachung von potenziellen Straftätern mit Verdacht auf psychische Probleme, einschliesslich derer, die ihre Freiheitsstrafe bereits verbüsst haben, die Einführung strengerer Auflagen für entlassene Sexualstraftäter und die Verbesserung des Opferschutzes mit Einbezug der Angehörigen. «Die Stärkung des Opferschutzes ist mir ein besonderes Anliegen. Es gibt zwar schon hervorragende Organisationen, die sich um Opferschutz bemühen und solchen Leuten helfen, doch wir können noch mehr tun. Hier sollte der Staat Gelder sprechen, um bestehende Angebote weiter zu fördern», so Egger.
Auch die Haftbedingungen sollen mit neun Massnahmen verschärft werden. Dazu gehören strengere Regeln für Hafterleichterungen wie Freigang und Hafturlaub, eine Reduktion der Möglichkeiten für vorzeitige Entlassung wegen guter Führung bei schweren Straftaten sowie eine Begrenzung der Besuchszeiten und Kontaktmöglichkeiten bei Hochrisiko-Insassen. Weiter sollen zusätzliche Sanktionen bei Gewalt gegen Vollzugsbeamte und Mitinsassen, eine 24 Stunden Überwachung in allen Bereichen der Haftanstalt sowie häufige und gründliche Durchsuchungen von Zellen und gemeinschaftlichen Bereichen zur Verhinderung von Schmuggel und illegalen Aktivitäten eingeführt werden. Auch die zulässige Dauer von Isolationshaft für Insassen, die als besonders gefährlich gelten, soll verlängert werden, es sollen verpflichtende Arbeits- und Ausbildungsprogramme mit strengen Zeitplänen und Überwachung eingeführt werden sowie die elektronische Kommunikation, beispielsweise mittels Mobiltelefons, verhindert werden. Ebenfalls ein wichtiger Punkt sei die Verschärfung des Jugendstrafrechts. Hierzu führt Egger acht Massnahmen auf: Die Verlängerung des Freiheitsentzugs in Heimen oder geschlossenen Einrichtungen sowie der maximalen Haftdauer bei schweren Verbrechen, die Altersbeschränkung für die Anwendung des Jugendstrafrechts von heute 18 auf 16 Jahre, die Einschränkung von Strafmilderungen, härtere Sanktionen für jugendliche Wiederholungstäter, eine Verschärfung der elektronischen Überwachung von bedingt entlassenen jugendlichen Straftätern, die Einführung von Maximalfristen zur Beschleunigung der Strafverfahren, eine verpflichtende Teilnahme an Programmen zur Wiedergutmachung gegenüber Opfern sowie eine Stärkung der elterlichen Verantwortung durch Elternkurse oder Geldstrafen für Erziehungsversäumnisse.
Auch am Ausländerstrafrecht möchte Egger einiges ändern. Er fordert eine Verschärfung der Kriterien, die einen Landesverweis für verurteilte Straftäter zur Folge haben, die Einführung längerer Landesverweise bei schweren Straftaten, eine Einschränkung der Kriterien für Härtefälle bei Landesverweisen, eine Beschleunigung der Verfahren bei Delikten, die zu einem Landesverweis führen können, eine Erweiterung der Möglichkeiten, Straftäter in Haft zu nehmen, während das Landesverweisverfahren läuft, eine Reduktion der Bedingungen, die für Ausschaffungen von verurteilten Straftätern in unstabile Länder erfüllt werden müssen, die obligatorische Registrierung von aus der Schweiz ausgewiesenen Straftäter im Schengener Informationssystem (SIS), unabhängig von der Schwere der Straftat sowie die Umsetzung der bereits bestehenden Abkommen zum Vollzug der Gefängnisstrafen für ausländische Straftäter in ihren Herkunftsländern. «Mir ist an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass ich härtere Strafen für alle Kriminellen in der Schweiz fordere und nicht nur für Ausländer. Doch das Thema lässt sich leider nicht wegdiskutieren, schaut man sich die neusten Zahlen an», so Egger. Damit spielt Egger auf den Anteil an Verbrechen an, die 2023 von Ausländern begangen wurden. So wurden 2023 31 Prozent aller Straftaten gegen das Strafgesetzbuch von Ausländern begangen, die zur ständigen Wohnbevölkerung zählen, sieben Prozent von Ausländern in einem laufenden Asylverfahren oder mit Asylstatus und 18 Prozent von übrigen Ausländern. Zusammengerechnet macht dies ein Anteil von 56 Prozent der Straftaten aus, die im vergangenen Jahr in der Schweiz begangen wurden.
«Mit diesem Massnahmenkatalog wollen wir eine Grundlage für weitere Debatten schaffen. Wir sind diesbezüglich auch kompromissbereit. Wir sind allerdings überzeugt, dass mit diesen Massnahmen eine Reduktion von Straftaten erwirkt werden kann», so Egger. Doch führen strengere Bestrafungen und verschärfte Haftbedingungen auch zu weniger Verbrechen? Dafür gibt es bislang keine Belege. Im Gegenteil: Diverse Studien haben bereits gezeigt, dass harte Strafen weder besonders abschreckend auf potenzielle Täter wirken noch dem Ziel der Resozialisierung zuträglich sind. In einer deutschen Studie der DIW Berlin aus dem Jahr 2009 heisst es beispielsweise: «Hohe Aufklärungs- und Verurteilungsraten wirken abschreckend. Die Art der Strafe und die Härte des Urteils beeinflussen die Kriminalitätsentwicklung hingegen kaum.» Egger gehe es vor allem auch darum, dass Thema in die politische Debatte zu führen, da es in Bundesbern häufig verharmlost oder gar verschwiegen werde. Sein Massnahmenkatalog soll aufrütteln, meint der Nationalrat. In einem nächsten Schritt will Egger nun vor allem eine Massnahme umsetzen: Härtere Strafen für Angriffe auf Polizei, Feuerwehr und Sanitäter.
Selim Jung
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