Nina Falk
Die Schauspielgruppe ermöglicht es Laien, auf der Bühne zu stehen.
Regula Schmid, Soziokulturelle Animatorin, und Sandra Stark, Sozialarbeiterin, engagieren sich bei Pro Senectute St.Gallen in der sozialraumorientierten Altersarbeit. Ihr Ziel: Quartiere, die Seniorinnen und Senioren aktiv mitgestalten.
Altersarbeit Mit zunehmendem Alter verlagert sich der Alltag oft ins nähere Umfeld. Quartiere und Dörfer werden für Seniorinnen und Senioren zu zentralen Lebensräumen, in denen soziale Kontakte, Mobilität und Infrastruktur entscheidend für Lebensqualität und Selbstständigkeit sind. «Unsere Arbeit fördert
generationenfreundliche Quartiere, die nicht nur Seniorinnen und
Senioren, sondern der ganzen
Gemeinschaft zugutekommen», erklärt Sandra Stark. In der sozialraumorientierten Altersarbeit geht es
darum, das Wohnumfeld so zu
gestalten, dass es Begegnungen
ermöglicht und Beteiligung fördert. Regula Schmid betont: «Das ist
keine Arbeit für, sondern mit den
älteren Menschen. Sie sind Expertinnen und Experten ihres Quartiers.» So entstehen Projekte, die direkt aus den Bedürfnissen der Seniorinnen und Senioren erwachsen. Ein Beispiel ist das «Suntigs-Kafi» im Osten der Stadt, das vor elf Jahren von älteren Quartierbewohnerinnen ins Leben gerufen wurde. Es bietet einen offenen Treffpunkt, ohne Konsumzwang, und wird bis heute von freiwilligen Seniorinnen und Senioren aus dem Quartier organisiert.
Nachbarschaft und lokale Gemeinschaft spielen eine zentrale Rolle in der sozialraumorientierten Altersarbeit. Hier finden Menschen oft erste Unterstützung, sei es durch gemeinsame Besuche von Veranstaltungen oder kleine Alltagshilfen.
Regula Schmid erinnert sich an eine Seniorin, die nach einem Unfall erzählte, ihre Nachbarin habe sie motiviert, wieder zum Mittagstisch im Quartier zu gehen. «Diese kleinen Gesten schaffen Vertrauen und fördern das Gefühl der Zugehörigkeit», sagt Schmid. Auch die Infrastruktur ist wichtig. Altersfreundliche Massnahmen wie Sitzgelegenheiten mit Rücken- und Armlehnen, barrierefreie Bushaltestellen oder leicht zugängliche Begegnungsorte erleichtern den Alltag und regen zur Nutzung öffentlicher Räume an. So führte kürzlich der Hinweis einer Seniorin dazu, dass bei einer Recyclingstelle eine Betonstellwand entfernt wurde. Die Seniorin kommentierte begeistert: «Jetzt kann ich wieder selbstständig entsorgen.» Doch Orte alleine reichen nicht aus. «Damit sie belebt werden, müssen sie von den Menschen vor Ort gestaltet und genutzt werden», sagt Stark. Initiativen wie «Hallo Nachbar*in», die aus Gesprächen über Einsamkeit entstanden ist, fördern spontane Begegnungen im Wohnhaus oder auf der Strasse.
Die Einbindung der älteren Menschen selbst ist zentral. Pro Senectute lädt Seniorinnen und Senioren dazu ein, ihre Quartiere zu «untersuchen»: Was läuft gut? Wo gibt es Verbesserungsmöglichkeiten? Daraus entstehen Interessengruppen Alter, die konkrete Projekte umsetzen – oft in Zusammenarbeit mit städtischen Dienststellen, Kirchen und Vereinen. Ein Beispiel ist das Flicken statt Wegwerfen-Projekt im Quartier Winkeln, organisiert mit dem Repair Café St.Gallen und unterstützt von Kirchgemeinden und dem Quartierverein. Hier treffen sich Generationen, um gemeinsam alte Gegenstände zu reparieren, statt sie zu entsorgen. «Beteiligung erfordert Zeit und Geduld», so Stark. Nicht immer gibt es sofort Lösungen. Doch der Austausch und das gemeinsame Tun stärken das Selbstbewusstsein. «Niemand muss Voraussetzungen erfüllen, um mitzumachen. Alle dürfen ausprobieren», betont Schmid.
Langfristige Veränderungen gelingen nur, wenn die Bedürfnisse älterer Menschen kontinuierlich in die Quartiersentwicklung einfliessen. Dazu gehört nicht nur die Förderung von Projekten, sondern auch der Aufbau feinmaschiger Beziehungsnetze. «Unsere Rolle ist es, Brücken zu bauen», sagt Schmid. Dies betrifft sowohl Kontakte zwischen Nachbarn als auch die Verbindung zu bestehenden Angeboten. Manchmal genügt es, Menschen miteinander bekannt zu machen, damit sie gemeinsam an einem Anlass teilnehmen oder sich gegenseitig unterstützen. Auch digitale Technologien spielen eine wachsende Rolle. Sich einzubringen via E-Partizipation oder den Stadtmelder wird von den beiden Frauen und idealerweise von den Seniorinnen und Senioren untereinander unterstützt. Gleichzeitig bleibt es wichtig, Hürden wie eingeschränkte Mobilität zu berücksichtigen: Fahrdienste oder barrierefreie Treffpunkte sind daher unverzichtbar. Pro Senectute Stadt St.Gallen setzt auf Nachhaltigkeit durch Kooperation. «Viele Verbesserungen, wie etwa zusätzliche Sitzbänke oder erhöhte Haltekanten an Bushaltestellen haben langfristige Effekte und kommen vielen Menschen zugute», so Stark. Mit ihrer sozialraumorientierten Arbeit trägt Pro Senectute dazu bei, dass Quartiere zu Orten werden, die nicht nur das Alter, sondern auch das
Zusammenleben insgesamt bereichern.
Weitere Informationen unter: www.sg.prosenectute.ch/stg
Von Benjamin Schmid
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