Ursula Forrer
feierte mit der Stiftung Zeitvorsorge das 10-Jahres-Jubiläum.
Vor einem Jahr hat sich Lisa Winiger mit ihrer Werkstatt für Blasinstrumente einen langgehegten Traum erfüllt. Mit Präzision, Fingerspitzengefühl und Geduld führt sie die handwerkliche Tradition aus und haucht alten Instrumenten nicht nur neues Leben ein, sondern passt sie auch an die Wünsche der Musikerinnen und Musiker an.
Klangfarbe Wenn Lisa Winiger ein Saxofon in seine Dutzende Einzelteile zerlegt und vor sich auf dem Arbeitstisch für eine Generalüberholung ausgebreitet hat, schweifen ihre Gedanken manchmal ab. Die Revision eines Holzblasinstruments bedeutet viele Stunden konzentrierte Detailarbeit. Bisweilen denkt die 40-Jährige an ihre Lehre zur Detailhandelsfachfrau im Fachgebiet Musikinstrumente zurück, während der sie erstmals mit dem Blasinstrumentenbauhandwerk in Berührung gekommen ist. Sie denkt an die unzähligen Musikerinnen und Musikern, die in freudiger Erwartung ihr revidiertes Instrument auf Intonation und Klang prüften oder an die etlichen Betriebe, die sie in ihrer über 20-jährigen Laufbahn in verschiedenen Ländern besucht hat. «Ich habe festgestellt, dass die grundlegenden Arbeitsschritte überall sehr ähnlich sind», sagt Winiger. Es habe kleine Weiterentwicklungen gegeben, doch an den Instrumenten selbst habe sich über die Jahre nicht viel verändert: «Eine Querflöte bleibt seit etwa 200 Jahren eine Querflöte, wenn auch mit technischen Neuerungen», so die Mutter zweier Kinder.
Die handwerkliche Tradition spiele in ihrem Beruf eine grosse Rolle. Trotz technologischer Fortschritte stecke nach wie vor viel Handarbeit im Blasinstrumentenbau. Winiger ist immer wieder fasziniert davon, wie sie beim Auseinandernehmen der Instrumente in längst vergangene Zeiten eintaucht. «Je nach Epoche wurden andere Polster oder Klebstoffe verwendet», informiert sie. Selbst die Schrauben und Achsen wurden früher anders hergestellt. Einerseits erfülle es sie mit grosser Freude, diesen alten Instrumenten wieder Leben einzuhauchen und zu hören, wie die Musikerinnen und Musiker ihnen neuen Klang verleihen, andererseits sei sie stolz darauf, dieses traditionelle Handwerk an einer Berufsfachschule weitergeben zu können und so zur Bewahrung dieser Tradition beizutragen.
Im Anschluss an ihre Lehre hat Winiger eine Ausbildung als Blasinstrumentenbauerin absolviert und ihr handwerkliches Können kontinuierlich weiterentwickelt. Um mit exzellentem Service und hochwertiger Arbeit zu begeistern, sei nicht nur Leidenschaft und Hingabe nötig, sondern in gewissem Masse auch ein Streben nach Perfektion: «Es ist absolut wichtig, dass das Instrument perfekt auf die spielende Person abgestimmt ist, um ein optimales Spielerlebnis zu gewährleisten», ist Winiger überzeugt. Deshalb sei der Austausch mit den Musikerinnen und Musikern ein wesentlicher und bedeutender Teil ihrer Arbeit. Einerseits möchte sie verstehen, wie der Spieler oder die Spielerin ihr Instrument nutzt und welche Optimierungen während der Reparatur vorgenommen werden sollen. Andererseits sei es gerade bei der Restaurierung alter Instrumente von Bedeutung, den Hintergrund des Instruments zu kennen. «Die Geschichten hinter den Musikern und ihren Instrumenten faszinieren mich, und ich versuche, dieses Wissen in meine Arbeit einfliessen zu lassen», erklärt die Werkstattinhaberin.
Ob Querflöten, Blockflöten, Saxofone, Klarinetten oder Piccolos – Winiger bevorzugt kein Instrument, da jedes seine eigenen Besonderheiten aufweise und unterschiedliche Arbeitsweisen erfordere. In dem Beruf sind Präzision, Fingerspitzengefühl und Geduld von entscheidender Bedeutung. «Ein gutes Gehör ist ebenfalls unerlässlich, ebenso wie das Einfühlungsvermögen in die Bedürfnisse der Musikerinnen und Musiker», erklärt die Instrumentenbauerin. Für gröbere Aufgaben wie das Ausbeulen und Richten eines Korpus sei es ausserdem von Vorteil, körperlich zupacken zu können und die richtige Kraft gezielt einzusetzen. Während der Arbeit an einem Instrument könne sie die Zeit vergessen und vollständig in der Tätigkeit aufgehen. «Dieses Gefühl der Hingabe und Konzentration erfüllt mich auf eine besondere Art und Weise», offenbart Winiger. Doch ebenso erfüllend sei der Kontakt zu den unterschiedlichsten Musizierenden. Von Laien über Mitglieder von Blasmusikvereinen bis hin zu Profis in Symphonieorchestern oder freischaffenden Musikern und Künstlerinnen – sie alle haben ihre eigene Geschichte und individuelle Ansprüche. Der Austausch mit den Menschen, das Verständnis für ihre Bedürfnisse und die Möglichkeit, ihren musikalischen Werdegang zu begleiten, bereicherten ihre Arbeit ungemein. «Seit ich mich vor einem Jahr selbstständig gemacht habe, durfte ich unzählige faszinierende Musikerinnen und Musiker kennenlernen und herausfordernde sowie erfüllende Arbeiten ausführen», erzählt Winiger und resümiert: «Meine Erwartungen wurden mehr als übertroffen.»
Von Benjamin Schmid
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