Ruth Inauen
Die 20. Guggennacht Engelburg ist die letzte, die sie organisiert.
Ingrid von Burg Greene, 49, ist Universitätsprofessorin und lebt mit ihrer Familie in Los Angeles. Die gebürtige Schweizerin hat sich zwischen den USA und der Schweiz eine einzigartige Lebensgeschichte aufgebaut – geprägt von Fernweh, Heimatliebe und kultureller Vielfalt.
Kalifornien Ingrid von Burg Greene wurde am 11. Mai 1975 in der Nähe von New York City geboren. Ihre Verbindung zur Schweiz ist jedoch tief verwurzelt: Ihre Grosseltern, Gründer des Uhrenunternehmens Certina, eröffneten ein Büro in den USA, doch die Familie kehrte regelmässig nach Grenchen zurück. «Ich habe meine Kindheit zwar überwiegend in den Vereinigten Staaten verbracht, aber die Schweiz war immer ein wichtiger Teil meines Lebens», erzählt Ingrid. Nach der Schulzeit zog es sie ans renommierte Institut auf dem Rosenberg in St. Gallen, wo sie zunächst 1993 als Schülerin eine Sommerakademie besuchte. Es war eine prägende Zeit, die sie nicht nur mit der Schweizer Kultur, sondern auch mit Menschen aus aller Welt in Kontakt brachte. Später kehrte sie als Lehrerin an den Rosenberg zurück, unter anderem in den Sommern 1994, 1995 und 2013. «Ich schätze die bis heute bestehenden Verbindungen, darunter auch mit Anita Gademann, der jetzigen Leiterin des Instituts», erzählt sie.
Nach ihrem Studium der Ingenieurwissenschaften und einem MBA an der The Thunderbird School of International Management in Genf arbeitete Ingrid einige Jahre in der Schweiz und Europa, bevor sie schliesslich 2006 nach Los Angeles zog und ihre berufliche Heimat in Kalifornien fand. Heute ist sie Professorin an der Loyola Marymount University und unterrichtet internationale Wirtschaft sowie Wirtschaftsethik. Los Angeles hat Ingrid sowohl beruflich als auch privat geprägt. «Das Wetter ist fantastisch, und die Menschen sind freundlich, auch wenn die Freundschaften oft nicht so tief gehen wie in der Schweiz», sagt sie. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem sechsjährigen Sohn lebt sie in Playa del Rey, einer Küstengegend etwa einen Kilometer vom Strand entfernt. Die Nähe zum Meer und die entspannte Atmosphäre der South Bay bieten der Familie eine hohe Lebensqualität. Ihr Arbeitsalltag spiegelt die Vielseitigkeit ihres Lebens wider. «An etwa drei Tagen in der Woche unterrichte ich an der Universität. Die restliche Zeit nutze ich, um an meinen Kursen zu arbeiten oder mich um meinen Sohn zu kümmern», berichtet sie. Die kurzen Wege erleichtern ihren Alltag: «Es dauert nur zehn Minuten, ihn zur Schule zu fahren, und wir geniessen dabei den Blick auf den Strand.» In ihrer Freizeit zieht es Ingrid immer wieder ans Meer oder in die Berge. Mit ihrem Sohn nimmt sie Surfunterricht – ein Sport, den sie erst in Kalifornien für sich entdeckt hat. «Es ist aufregend, eine neue Aktivität gemeinsam zu lernen. Mein Sohn hat unglaublich viel Spass daran, und es stärkt unser Band.» Ausserdem unternimmt die Familie regelmässig Ausflüge nach San Diego oder Hawaii.
Obwohl Ingrid die kalifornische Lebensweise schätzt, bleibt sie ihren Schweizer Wurzeln treu. «Ich lege grossen Wert darauf, einfach zu leben und mein Geld sinnvoll auszugeben. Das ist eine Schweizer Tugend, die ich nie abgelegt habe.» Auch die Nähe zur Natur ist ihr wichtig, sei es bei Spaziergängen am Strand oder Wanderungen in den Bergen. Die Unterschiede zwischen der Schweizer und der amerikanischen Kultur bringen Ingrid und ihre Familie immer wieder zum Lachen. «Meine Eltern leben ebenfalls in Kalifornien, und wir amüsieren uns oft über Missverständnisse. Zum Beispiel verwechseln Amerikaner die Schweiz gerne mit Schweden – und weil mein Name Ingrid ist, wird es noch komplizierter. Manchmal nennen mich Leute sogar Heidi!» Allerdings gibt es auch Momente, die Ingrid nachdenklich stimmen. «Ich vermisse die Ruhe und Ordnung der Schweiz. Hier in Kalifornien weiss man nie ganz, ob alles pünktlich funktioniert.» Besonders ihre Familie in der Schweiz fehlt ihr. «Meine Tanten und Cousins gehören zu meinen engsten Vertrauten, aber wir sehen uns höchstens einmal im Jahr. Das macht mich manchmal traurig.»
Trotz ihrer langen Zeit in Los Angeles fühlt sich Ingrid dort nicht vollkommen heimisch. «Es ist ein Zuhause auf Zeit», gibt sie zu. Die Entscheidung, in Kalifornien zu bleiben, wurde vor allem von ihrem Wunsch geprägt, ihrem Sohn die kalifornische Kultur näherzubringen. «Ich wollte, dass er in einer selbstbewussten Umgebung aufwächst, die auch Raum für Entfaltung bietet.» Gleichzeitig denkt Ingrid oft an eine Rückkehr in die Schweiz und kann es sich gut vorstellen, eines Tages nach St.Gallen zurückzukehren. «Vielleicht wird mein Sohn, wie ich, am Rosenberg studieren», offenbart sie. Die Verbindung zu St.Gallen bleibt bestehen: «Die Stadt hat eine besondere Ruhe, die ich sehr schätze. Die Berge, die saubere Luft – das ist etwas, was ich hier oft vermisse.» Im Ausland zu leben, ist eine Chance, die sie gerne nutzt, schliesslich lernt man unglaublich viel über andere Kulturen – und über sich selbst. Ein fester Plan steht jedoch noch aus – Ingrid und ihre Familie geniessen die Flexibilität, die beide Länder bieten. «Mit der Familie an meiner Seite bleibe ich den Werten beider Kulturen treu – ein Balanceakt, der mich bereichert und inspiriert», resümiert die Auswanderin.
Von Benjamin Schmid
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