Alfred Zwickl
amtet seit 1998 als Präsident des Ortsmuseums Wittenbach.
Ein Rutenfest gibt es heute noch in Ravensburg. Im Bild der Festzug der Rutenkinder. z.V.g
In diesem Jahr feiert St.Gallen «200 Jahre Kinderfest». Doch die Wurzeln gehen noch viel weiter zurück, auf die Klosterschule vor über tausend Jahren. Für Josef Weiss («Schulstadt St.Gallen») liegt der Ursprung in einem zum Andenken von Papst Gregor I (verstorben 604) durchgeführten Gregorifest.
Schulfeste Ildefons von Arx beschreibt in seinen Geschichten des Kantons St.Gallen ein solches Fest in der Klosterschule, das 1470 stattfand. Später wurde der Feiertag in die Sommerzeit verlegt. In den folgenden Jahrhunderten fand das Fest in unterschiedlicher Regelmässigkeit statt, wobei sich die Lehrkräfte mit ihren Klassen in der Kirche St.Laurenzen trafen, von dort aus zum Umzug durch die Stadt starteten und auf dem Rosenberg den Tag mit Spielen und «Waffengängen» (kriegerische Spiele) begingen. Am Fest nahm auch die Mädchenschule teil. Allerdings sind ab 1661 nur noch schwache Festspuren vorhanden. Damals hatten die Knaben an diesem Tag in ihren schwarzen Mänteln und Seitengewehren zur Kirche zu kommen, durften aber ihre Hüte mit Federn schmücken. Jakob Kuoni scheibt in seiner schon 1910 erschienenen Schrift «Das St.Galler Jugendfest», die älteste bekannte urkundliche Notiz über ein Schulfest gehe auf das Jahr 1470 zurück. 1571 geschah nach seinen historischen Forschungen die Speisung im Spital und in den Zunftstuben der Schneider und Weber. 1667 wurden weitere Räume für die Verpflegung beansprucht, auch Privathäuser. Hier soll es auch zu kostspieliger Bewirtung gekommen sein, was die Obrigkeit untersagte. Überdies überbordeten die Waffenübungen, sodass ein Schiessverbot erlassen werden musste.
Wie in anderen Städten (heute noch in Ravensburg) wurde in St.Gallen das Rutenfest gefeiert. Dies war ein schulfreier Tag, an dem im Wald für die Lehrerschaft Zuchtruten geschnitten wurden. Dass dies mit einem Fest verbunden war, mag angesichts der Tatsache, dass die Jugend für ihre körperliche Züchtigung Material zu beschaffen hatte, heute verwundern. Vielleicht aber war eben die Freude gross, nicht ins Schulzimmer gehen zu müssen. Man nannte das Fest auch «Virgatum-Gehen». An diesem Tag wurden Spiele, sportliche Übungen und Wettkämpfe durchgeführt. Abends versammelten sich die Klassen vor dem Rathaus und legten dort die Ruten als Zeichen der Anerkennung der Obrigkeit nieder. Hernach wurde gemäss Kuoni die Jugend von Eltern und Lehrern bewirtet. Der Lehrer erhielt an diesen Tagen von seinen Schülern einen kleinen Zuschlag zu seinem kärglichen Lohn, den sogenannten Rutenpfennig.
Besser dokumentiert als das Rutenfest ist die sogenannte «Egg». Es handelte sich ursprünglich um schulinterne Feste, die sich dem Examen anschlossen. Man feierte die «Frühlings-», «Pfingst-» und «Herbstegg». Kuoni vermutet, dass der Name «Egg» auf die Orte zurückzuführen ist, an denen die Übungen und Spiele stattfanden. Am intensivsten wurde die «Herbstegg» gefeiert. Die Knaben massen sich in verschiedenen militärischen Wettkämpfen, auch im Bogen-, Armbrust- und Flintenschiessen. Die Stadt verfügte zu diesem Zweck über 200 Flinten, die allerdings 1798 den einmarschierenden Franzosen in die Hände fielen. Die «Herbstegg» von 1823 galt als erstes informelles Jugendfest, an dem 600 Kinder teilnahmen, darunter auch Mädchen, die Blumen trugen und tanzten. Man kann sich darüber streiten, ob daher 1823 als «Geburtsjahr» des heutigen Kinderfestes angesehen werden sollte.
Zu einem weiteren Schritt in Richtung des heutigen «St.Galler Kinderfestes» wurde das 1824 nach Abschluss einer Schulreform, in die auch die Ideen Pestalozzis Eingang fanden, durchgeführte «Jugendfest». Dem damaligen Stadt- und Schulratspräsident und späterem Landammann Hermann von Fels gelang es, die Tradition des Jugendfestes in einer neuen Konzeption mit Gliederung nach Klassen und Alter neu aufleben zu lassen. Der Erfolg war gross, weshalb das Fest in der Folge bis 1914 mit Ausnahme von 1904, als das eidgenössische Schützenfest in St.Gallen stattfand, jährlich durchgeführt wurde.
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