Ruth Inauen
Die 20. Guggennacht Engelburg ist die letzte, die sie organisiert.
Marcel Roos, Direktor Zentren Nord (links), und Patrick Sonderegger, Oberarzt und Leiter Krisenintervention und Mobile Equipe, standen Red und Antwort.
Die Psychiatrie St.Gallen unterhält am Standort St.Gallen eine Mobile Equipe, die sich bewährt hat, wie Oberarzt Patrick Sonderegger, Leiter Mobile Equipe und Krisenintervention, und Marcel Roos, Direktor Zentren Nord, im Gespräch sagen. Letztes Jahr wurden 234 Patientinnen und Patienten durchschnittlich rund zehn Mal zu Hause besucht.
Hausbesuche Die Mobile Equipe sucht psychisch kranke Menschen in der Stadt St.Gallen und in verschiedenen Nachbargemeinden auf. Damit bietet sie eine Alternative zur herkömmlichen Behandlung in einer Klinik oder einem Ambulatorium. Das Team aus zwei Fachärzten und vier Pflegefachpersonen begibt sich ins häusliche Umfeld der erwachsenen Patientinnen und Patienten, klärt allenfalls zusammen mit Angehörigen die Situation ab und leitet eine Behandlung ein. Dabei wird eng mit dem Kriseninterventions-Team der Psychiatrie St.Gallen zusammengearbeitet, das rund um die Uhr mit dem Krisentelefon psychisch kranke Menschen und ihre Angehörigen berät sowie ambulante und stationäre Kriseninterventionen durchführt.
Freiwilligkeit und Eigenmotivation sind die Voraussetzungen für den Einsatz der Mobilen Equipe, die innerhalb der Stadt ökologisch mit dem E-Bike unterwegs ist. Liegen Fremd- oder Eigengefährdungen durch aggressives Verhalten vor, ist eine stationäre Behandlung vorzuziehen, wie die Experten erklären. Mögliche Gründe für die Behandlung im häuslichen Umfeld seien Schwellenängste bei einem Eintritt in eine psychiatrische Einrichtung, Unsicherheit nach einem stationären Aufenthalt, eine enge Verknüpfung der Erkrankung mit den Lebensumständen vor Ort und eingeschränkte körperliche Mobilität. Wenn sich eine bereits bestehende, psychische Erkrankung krisenhaft zuspitzt oder sich generell eine psychosoziale Krise zeigt, kann die Mobile Equipe abklären, intervenieren, unterstützen und stabilisieren. Es erfolgen im Rahmen der aufsuchenden psychiatrischen Pflege auch soziale Beratungen inklusive Angehörigenberatung.
Die Psychiatrie St.Gallen bietet an fast allen der neun Standorte im Kanton im Sinne eines aufsuchenden psychiatrischen Dienstes Hausbesuche an. In Form der Mobilen Equipe, das heisst mit fachärztlicher Begleitung, gibt es das Angebot bisher aber nur in der Kantonshauptstadt und deren näheren Umgebung. Obwohl die aufsuchende Psychiatrie hierzulande noch wenig verbreitet ist, wird sie schon seit fast hundert Jahren angewendet. Längst ist mit wissenschaftlichen Untersuchungen erwiesen, dass das Aufsuchen kostengünstiger ist als die stationäre Behandlung – und dies ohne Qualitätseinbusse. Von den psychischen Erkrankungsarten von besuchten Patientinnen und Patienten gibt es nur wenige Unterschiede zur stationären Behandlung, wie Sonderegger und Roos erklären. Depressionen verschiedenen Grades sind am häufigsten, zahlreich auch Suchtverhalten und Angstzustände. Weniger geeignet seien Fälle schwerer Schizophrenie zur Behandlung zu Hause, erklären die Fachleute. Die Wege zur Beanspruchung der Mobile Equipe entsprechen ebenfalls weitgehend denjenigen der übrigen Psychiatrie. Die Patientinnen und Patienten werden von Ärzten oder Angehörigen angemeldet oder bemühen sich selbst um die Dienstleistung.
Die Dienstleistenden in der Mobile Equipe sind motiviert und schätzen ihre Arbeit, wie Roos und Sonderegger feststellen. Indessen ist vor Ort sensibles Vorgehen gefragt, weil die Behandlung im intimen Rahmen einer Wohnung erfolgt. Auch eine hohe Selbstverantwortung sei erforderlich, weil vor Ort oft entschieden werden muss, welche Behandlung am sinnvollsten ist. Die Vernetzung mit den Fachleuten der anderen Abteilungen der Psychiatrie St.Gallen sei sehr eng und die Besprechung der Fälle vor und nach der Behandlung gewährleistet. So sei auch ein optimaler Übergang von oder zu einer anderen Behandlungsart möglich – stationär oder in der Tagesklinik. Man kann deshalb auch von einer Brückenfunktion reden. Es zeigt sich, dass für ältere Altersgruppen das Wirken der Mobile Equipe besonders wertvoll ist, weil sie oft ein Mobilitätsproblem haben. Jugendliche unter 18 Jahren werden dagegen durch die Psychiatrie St.Gallen nicht aufgesucht, weil für diese im Kanton St.Gallen die Kinder- und Jugendpsychiatrie mit den entsprechenden Fachleuten zuständig ist. Eine Konkurrenzsituation zu Psychiaterinnen und Psychiatern in freier Praxis stellen die beiden Interviewten nicht fest. Das ist vor allem auch darauf zurückzuführen, dass die Nachfrage nach psychiatrischen Leistungen das Angebot weit übersteigt.
we
Das ist fortschrittliches Denken! Finde das nennenswert, statt der üblichen Behandlungsmethoden die meist kein hinreichendes Auffangnetz bietet. Mega Engagement 😃 Wenn die Menschen wieder feste Entschlüsse fassen können wird die Welt nur besser. So steht der Besserung mancher Lebensumstände ja nichts mehr im Weg, da sie sich auf den Weg machen 😁
Ramona J. Forrer antwortenLade Fotos..