Michelle Kolb
Wir unterstützen Jugendliche mit Behinderungen bei der Stellensuche.
Das Spiel «Wunderkarten» des St.Gallers Hugo Borner wirft nicht nur gängige Spielmuster über Bord, sondern stellt ein neues Genre dar. Aus den 56 Würfelkarten in 3-D-Optik lassen sich unzählige originelle und überraschende dreidimensionale Gebilde und Figuren erstellen.
Illusionen Die vor mir liegenden sechseckigen 3-D-Karten präsentieren Würfel mit Flächen im Licht und im Schatten. Kaum habe ich ein paar Karten aneinandergesetzt, erhält die Figur Tiefe und wird dreidimensional. Mit jeder weiteren Karte verändert sich das Gebilde und macht die Illusion perfekt. Nach unzähligen Versuchen und mit Hilfe der Motiv-Beispiele habe ich es geschafft: Mit 12 übereinandergelegten Karten habe ich ein unendliches Dreieck geschaffen.
Schon in jungen Jahren war Hugo Borner Fan von Zauberwürfeln. Auch Lego habe er heiss geliebt und über Stunden hinweg gebaut, abgerissen und neu zusammengestellt. Während der St.Galler älter wurde, blieb die Faszination für Formen und Farben. «Je länger ich mich mit Zauberwürfeln auseinandergesetzt habe, desto mehr vermisste ich die Dreidimensionalität», sagt Borner. Immer wieder habe er sich überlegt, wie er sie um eine Dimension erweitern und dadurch auch das vertikale Spielen ermöglichen könnte. Nach etlichen Prototypen wurde ihm bewusst, dass Zauberwürfel an ihre Grenzen stossen und sie nie die gewünschte Tiefenwirkung entfalten würden. Vor ungefähr drei Jahren kam er auf die Idee, statt Würfel
Karten zu verwenden und diese mit dreidimensionalen Formen zu bemalen. «Immer wieder habe ich
Neues ausprobiert, habe verschiedene Muster getestet und mit Farben
experimentiert», offenbart der
Notkerseggler.
Getrieben vom Gedanken, das perfekte Form-Farb-Muster für seine Wunderkarten zu entdecken, steckte der gelernte Grafiker Stunden in sein Spiel. An den Abenden und am Wochenende wurde getüftelt und erprobt – nicht selten mussten Frau und Kinder herhalten und die neusten Änderungen testen. «Auch wenn sie nicht dieselbe Leidenschaft für mein Projekt entwickelten, standen sie doch stets hinter mir und glaubten an den Erfolg meiner Idee», verrät der Erfinder. Während die Kosten für die Entwicklung relativ gering waren, habe er viel Zeit investiert. Gut investierte Zeit, wie er sagt, schliesslich sei er stets im Flow gewesen und habe das Arbeiten mehr als Erholung angesehen. Trotzdem war es ihm ein Anliegen, sein Herzensprojekt voranzutreiben und zu vollenden.
Als er mit dem Ergebnis zufrieden war und mit Metermorphosen den richtigen Partner gefunden hatte, galt es, die letzten Details zu klären und das Spiel herzustellen. «Entstanden ist ein Spiel, das ein völlig neues Genre darstellt», erklärt Borner und verortet das kreative Geduldsspiel irgendwo zwischen Puzzle, Domino, Patience und dem Spielklassiker Tangram. Einerseits beruhige das Spiel mit den Karten, andererseits animiere es, immer neue Muster, Tiere und Fantasie-Gebilde entstehen zu lassen. «Das Moderne an den ästhetisch reizvollen Wunderkarten ist, dass es keine Regeln und keinen Wettbewerb gibt, also gängige Spiel-Muster unterlaufen werden und das 3-D-Kartenset dadurch etwas geradezu Subversives hat», sagt der Farbgestalter. Ob alleine oder in der Gruppe – mit den Wunderkarten sind dem Entwerfen neuer Formen keine Grenzen gesetzt.
Die Grundidee des Spieles ist, ein Muster von unten nach oben zu bauen, indem die Karten mal nebeneinander gelegt, mal übereinander gestapelt werden. «Sobald die Karten auf dem Tisch liegen, kann man loslegen und in magischen, optisch reizvollen Welten versinken», sagt Borner. Weil es keine Regeln gebe, sei es denkbar, dass sich geübte Spielerinnen und Spieler eigene Spielprinzipien und Vorgaben auferlegten. «Beim gemeinsamen Spiel gibt es kein Gegeneinander, sondern nur ein Miteinander», resümiert der Familienvater, «gemeinsam arbeiten die Spielenden an der guten Form.»
Die klassischen Spieler halten sich an klare Regeln und fühlen sich darin wohl. Die Freigeister nehmen Vorgabe nicht so genau und erproben Neues. Die Vorsichtigen beginnen mit weniger Elementen und steigern sich allmählich. Den Illusionisten haben es optische Täuschungen besonders angetan. Die Realisten scheuen sich vor Gebilden, welche in sich zusammenstürzen könnten. Die Figürlichen erschaffen freie Gebilde, Menschen und Tiere. Die Ausgeglichenen mögen keine freien Formen und bauen von einer Mittelachse aus. Die Künstler erklären ihre kreierten Bilder zur Kunst. Die Spiele-Freaks zählen eins und eins zusammen und brauchen keine Anleitung. Die Tagträumer erfinden neue Formen so ganz nebenbei und manchmal auch im Schlaf.
Von Benjamin Schmid
Lade Fotos..