Julian Gemperli
misst sich bei den WorldSkills mit anderen Metallbauern.
Der baldige Präsident des Stadtparlaments: Vica Mitrovic.
Wenn Vica Mitrovic davon erzählt, wie er vom «Jugo» zum höchsten St.Galler werden wird, das heisst zum Präsidenten des Stadtparlaments im neuen Jahr, schwingt auch ein bisschen berechtigter Stolz und viel Dankbarkeit mit. Er freut sich, ein so verantwortungsvolles Amt übernehmen zu dürfen.
Stadtparlament Typisch heisst es im Prolog zu seinem vierten Buch, das der 1998 in die Schweiz Eingebürgerte in serbischer Sprache veröffentlicht hat: «Ich hatte den Wunsch und die Absicht, etwas über die Gastarbeiter zu sagen. Wie auch ich dieser Art von Menschen angehöre – man könnte sagen, dieser Klasse. Ich fühle mich auserwählt, dies auch zu tun. Mehr als genug diskutiert man über uns. Manchmal werden wir als das Problem angesehen, aber dann auch wieder als jene, die eine Lösung für viele Fragen bieten.» Auch in seinen Gesprächen betont Mitrovic immer, wie wichtig es ist, sich gut in der neuen Heimat zu integrieren, aber auch seine Wurzeln nicht zu vergessen: «Immer wenn ich nicht wusste, wohin ich gehen soll, drehte ich mich um, um zu sehen, woher ich komme».
Vica Mitrovic studierte Politologie (Internationale Politik, Recht und Ökonomie), bevor er in die Schweiz auswanderte. Obwohl damals noch Tito in Jugoslawien am Ruder war, konnte er, wie er betont, viel mitnehmen aus seinem Studium. Er bezeichnet die Universität Belgrad damals als «freiheitlichen Flecken» in einem gleichgeschalteten Land mit fehlender Redefreiheit. Es seien auch durch westliche Professoren alle wichtigen politischen Systeme offen gelehrt worden. Darin wurzle auch sein Verständnis für politisch Andersdenkende, das zu einer seiner Maximen geworden sei. Geprägt haben ihn aber auch seine ersten Erfahrungen nach der Ankunft in der Ostschweiz, als er während drei Jahren als Hilfsarbeiter tätig war. Er lernte ihre Probleme und ihre Sicht kennen, was ihm anschliessend als Berufssekretär in Gewerkschaften der heutigen Unia half. Für ihn sind Arbeitgeber keine Gegner, sondern er anerkenne ihre unternehmerischen Leistungen. Auf der anderen Seite gebe es aber auch schwarze Schafe, die sich nicht an die Vorschriften hielten und die konsequente gewerkschaftliche Interventionen nötig machten. Seit 2005 ist Mitrovic als Berater und Dolmetscher Selbstständigerwerbender. Wie er betont, ist seine Beratungstätigkeit sehr breit und die meisten Ratsuchenden kommen mit einem ganzen Bündel von Fragen zu ihm. Viele Migrantinnen und Migranten brauchen Unterstützung auch bei alltäglichen Problemen und behördlichen Entscheiden, denn sie fühlen sich zunächst nicht selten fremd. Der Kulturvermittler, wie er sich auch nennt, rät aber nicht nur zu einem sinnvollen Vorgehen, sondern bemüht sich auch, Verständnis für die hiesigen Regeln und die völlig andere Mentalität zu schaffen. Oft informiert er, wie die direkte Demokratie funktioniert, die er für eine hervorragende politische Errungenschaft hält und die ihn zu aktiver Tätigkeit in der Politik animierte. Er bezeichnet sie, mit einem Lächeln die Überspitzung zugebend, als «Vorraum zum Paradies». Gerne übernimmt Mitrovic auch Aufgaben als Dolmetscher, beherrscht er doch neben seinen Muttersprachen Rumänisch und Serbisch auch Bosnisch und Kroatisch in Wort und Schrift. So kann er auch sprachlich Verständnis schaffen. Dies bewies er zum Beispiel mit der Übernahme des Präsidiums des «Runden Tisches» der Religionen St.Gallen.
Dem Stadtparlament gehört Mitrovic seit 2010 an. Er habe «null Angst» vor seiner neuen präsidialen Aufgabe, die ihm als bisherigem Rats-Vizepräsident im neuen Jahr zukommen wird. An der vergangenen Rechnungssitzung hat er bereits bewiesen, dass er die Parlamentsführung zu meistern vermag, musste er doch kurzfristig einspringen. Ein sicheres Gefühl habe er auch, weil er auf die vorzügliche Unterstützung des Stadtschreibers und der gesamten Verwaltung zählen könne. Als «höchster St.Galler» will er sich nicht mit zahlreichen Empfehlungen abgeben, sondern als Vorsitzender selbst rationell agieren. Mit Freude sieht Mitrovic den vielen repräsentativen Aufgaben entgegen, ist er doch ein geselliger Mensch mit Vernetzung auch in diversen Vereinen. Es ist ihm auch hier ein Anliegen, Verständnis für die Migrantinnen und Migranten zu schaffen, Brücken zu bauen und die Werte unserer Demokratie zu stärken. Höhere politische Ambitionen hegt er keine. Da er nun bald das Pensionsalter erreiche, wolle er sich politisch langsam zurückziehen, ohne aber auf ein gemeinnütziges Wirken zu verzichten.
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