Samuel Zuberbühler
will mit Zwischennutzung des Waaghauses die Innenstadt beleben.
Freuen sich aufs Fest zum Einjährigen: von links: Denise Hofer, Lea Giezendanner, Thomas Staroszynski und Angela Genziani.
Vor einem Jahr hat sich im Lachen-Quartier ein einzigartiger Ort für Kreativität, Gemeinschaft und Nachhaltigkeit entwickelt. Mit dem Gemeinschaftsprojekt «Ulmen5» ist ein Haus der offenen Türen entstanden, in dem kreatives und handwerkliches Schaffen gefördert und das Miteinander gelebt wird.
Hand in Hand Von Knöpfen über Fliesen bis zu Stoffen aller Art und von Holz über Keramik bis zu Werkzeugen und sogar Glace – im Ulmen5 gibt es alles, was es braucht, wenn man etwas künstlerisch erschaffen möchte. Das soziokulturelle Zentrum beherbergt fünf eigenständige Projekte, die alle mit derselben Idee verbunden sind: Alle Beteiligten möchten durch ihr eigenes Tun einen Beitrag zum sozialen Miteinander beisteuern und setzen sich aktiv für einen nachhaltigen gesellschaftlichen und ökologischen Wandel ein.
Eines dieser fünf Projekte ist das Atelier «vielraum», das von Thomas und Sabine Staroszynski geleitet wird. Die St.Galler begleiten Menschen bei ihrem künstlerischen Arbeiten. Es wird gemalt, gefilzt und gedruckt, aber auch gezeichnet oder ein Animationsfilm erstellt. «Bei uns können Interessierte vieles ausprobieren, Neues lernen und sich weiterentwickeln», sagt der 52-jährige Thomas Staroszynski, «aber noch wichtiger ist, dass alle selbst bestimmen, womit sie arbeiten wollen und welche Kunst sie erstellen.» Einerseits unterstütze er die Künstlerinnen und Künstler individuell, andererseits fördere der Austausch untereinander die Kreativität und Inspiration.
Der Verein Meter, der die Werkstatt betreibt, wurde 2021 gegründet. Was als Idee von wenigen Mitgliedern begann und zuerst kaum vorstellbar schien, wird heute von über 40 aktiv Beteiligten ermöglicht: Eine öffentlich zugängliche Werkstatt in den Bereichen Keramik, Textil, Metall und Holz, die an fünf Tagen in der Woche geöffnet ist. «Der Meter bietet Werkzeuge, Maschinen und die Infrastruktur an, um persönliche Projekte zu realisieren oder an Workshops teilzunehmen», erklärt die 29-jährige Lea Giezendanner. «Für wenig Geld können Interessierte die Werkstatt nutzen, ihre handwerklichen Fähigkeiten ausleben, neue Techniken erlernen und im Austausch mit unterschiedlichen Personen stehen».
Auch das ehrenamtlich betriebene Repair-Café befindet sich im Ulmen 5. Dank des Umzugs vom Schulhaus Tschudiwies hierher habe man die Fläche verdoppeln können. Erfahrene Reparaturprofis flicken Accessoires, Spielzeuge und sowohl mechanische wie auch elektronische Geräte wie Kaffeemaschinen, Mixer oder CD-Player. «Statt Gegenstände wegzuwerfen, reparieren wir sie und verlängern dadurch ihren Lebenszyklus», erklärt Samuel Passler. Damit wolle man der Wegwerfkultur entgegenwirken und einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Zusätzlich zu den regelmässigen Reparatur-Sessions, die jeden Mittwochabend stattfinden, werden immer wieder spezifische Events organisiert. «Nebst Gästen, die mit uns gemeinsam Gegenstände reparieren, sind motivierte und handwerklich begabte Mitglieder stets willkommen», sagt Passler.
Gemeinsam mit Rahel Flückiger hat Denise Hofer das Konzept von OFFCUT in die Ostschweiz gebracht. «Mit dem Materialmarkt wollen wir den Menschen einen Zugang zu spannenden und hochwertigen Werkstoffen für neue Projekte ermöglichen», sagt Hofer. Aus unterschiedlichen Quellen werden Rest- und Gebrauchtmaterialien gesammelt und günstig weitergegeben. «Wir setzen uns aktiv für einen ressourcenschonenden Materialkreislauf ein», erklärt die 43-Jährige. Einerseits hätten die beiden Frauen Freude am kreativen Schaffen mit verschiedensten Materialien, andererseits schätzten sie die Möglichkeit, Menschen zum Selbermachen und Wiederverwenden zu inspirieren.
Angela Genziani sorgt mit «Angelati» für das leibliche Wohl im Ulmen5. Ihre Glace aus naturbelassenen Zutaten ist eine Geschmacksbombe und kommt bei allen gleichermassen gut an. Nebst den Dauerbrennern Kaffee, Schoggi und Caramel, bietet die 39-Jährige saisonale Sorten wie Mango, Erdbeeren, Cassis oder Nüsse an. «Auch für Spontanbestellungen bin ich offen», sagt die St.Gallerin, «erst kürzlich habe ich Staroszynskis Waldmeister zu Glace verarbeitet.» Die erfrischenden Kreationen fördern nicht nur die Kreativität der Besucherinnen und Besucher, sondern bereichern auch das Angebot in der öffentlichen Kaffeeecke des OFFCUT Materialmarktes.
Dass das soziokulturelle Zentrum Ulmen 5 entstanden ist, sei nicht nur dem Umstand zu verdanken, dass das Gebäude in einigen Jahren abgerissen werde und es bis dahin einer Zwischennutzung bedarf, sondern auch der gleichen Philosophie der fünf eigenständigen Projekte. «Die Sensibilisierung für einen bewussteren Umgang mit Materialien und Geräten wird durch die Gemeinschaft verstärkt und der Austausch zwischen den Menschen zusätzlich gefördert», sagt Hofer. Man blicke auf ein ereignisreiches erstes Jahr zurück, in dem scheinbar Unmögliches realisiert worden sei und freue sich auf mindestens vier weitere Jahre im Ulmen5 – solange sei die Zwischennutzung zugesichert worden.
Die Angebote werden geschätzt, die Philosophie getragen und der generationsübergreifende Wissenstransfer gefördert. «Die Strapazen und Herausforderungen im ersten Jahr des Projekts werden durch die Freude an der Zusammenarbeit im Haus mehr als ausgeglichen», findet Staroszynski und Giezendanner ergänzt: «Wir freuen uns darüber, wie positiv die Bevölkerung auf dieses Konzept reagiert hat und wie dieses Menschen zusammenbringt.» Ulmen5 hat nicht nur einen Ort für Kreativität geschaffen, sondern auch eine inspirierende Umgebung für nachhaltiges Handeln und soziale Interaktion. «Durch die Verbindung von Kunst, Handwerk und Gemeinschaft ist ein lebendiger Ort entstanden, der die Stadt bereichert», sagt Hofer und Genziani ergänzt: «Es ist ein Ort, an dem Träume Gestalt annehmen und Ideen Realität werden.»
Benjamin Schmid
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