Julian Gemperli
misst sich bei den WorldSkills mit anderen Metallbauern.
Jahrelang war das Ehepaar in den Ferien mit ihrem Camper unterwegs und beneidete diejenigen, die auf dem Campingplatz bleiben konnten. Vor fünf Jahren verkauften die beiden ihr Hab und Gut und starteten den Plan, Europa zu bereisen und jeweils in einem warmen Land zu überwintern.
Spanien Schon vor dem geplanten Roadtrip durch Europa ging es bei den Jäggis abenteuerlich zu und her. Nach dem Verkauf des Hauses im Sommer 2018 mussten sie eine Bleibe suchen. Auf dem Campingplatz «Ferien beim Bauer» lebten der 64-jährige Edgar Jäggi und die 61-jährige Fabienne Hayoz Jäggi bis zur Abreise für fünf Wochen im Wohnwagen und pendelten zwischen Campingplatz, Haus und Büro.
«Nachdem wir Frankreich durchquert hatten, blieben wir auf diversen Campingplätzen an der spanischen Mittelmeerküste», erinnert sich Hayoz Jäggi, «es war Feriengefühl pur, neu und befreiend.» Spanien hatte es dem Ehepaar schon früher angetan: Das Land, die Leute, das Wetter, die Sprache und die Küche gefielen ihnen sehr. Schnell waren die Ausreise-Strapazen vergessen und der Kummer über die vielen administrativen Aufgaben verflogen. «Wir waren glücklich, unterwegs zu sein, auf Campingplätzen zu leben und am Sonntagabend nicht einpacken und heimreisen zu müssen», offenbart die Auswanderin. «Für uns war es wie Ferien mit ein wenig Homeoffice für mich.» Im Winter 2019/2020 haben sie sich entschieden, in Spanien ihr Hauptlager aufzuschlagen. Doch die Pandemie verzögerte das Beantragen der «Residencia». Es folgte ein langwieriger, papierreicher und nervtötender Prozess, der aber letztlich dazu führte, dass die Pensionäre seit gut anderthalb Jahren in einem Mobilheimpark in Albatera (Alicante) das Leben geniessen.
Die Umstellung vom Wohnwagen auf das Häuschen habe ein paar Wochen gedauert. «Immerhin lebten wir dreieinhalb Jahre im Wohnwagen», sagt Hayoz Jäggi. Nachdem sie das Häuschen eingerichtet und die ersten Fixpunkte gefunden hatten, lebten sie sich schnell ein. Beide sind aber froh, gewisse Erfahrungen gesammelt zu haben. Einfach so aus der Schweiz nach Spanien in ein Mobilheim zwischen Zitronen- und Orangenbäumen zu ziehen, hätte ihrer Meinung nach nicht funktioniert. Die Auswanderung haben sie bis heute nicht bereut. Im Juli 2020 erhielten sie die Aufenthaltsbewilligung.
Um vollständig korrekt in Spanien ansässig zu werden, blieb nur die Umlösung der Fahrzeuge. Nach der Zustellung etlicher Dokumente sollten sich die Auswanderer Mitte September 2020 mit ihrem über 15 Meter langen Gefährt (Auto und Wohnwagen) beim Zollamt in Alicante melden. «Unter den misstrauischen Blicken der patrouillierenden Hafenpolizei verstopften wir fast fünf Stunden die Strasse», entsinnt sich die 61-Jährige, «doch kein Zollbeamter liess sich blicken.» In der Folge habe die Polizei die Geduld verloren und sie weggeschickt. Kaum losgefahren wurde ihnen per Telefon einerseits mitgeteilt, dass ihnen bei Verlassen des Zollbereichs Alicante eine Busse von bis zu 35‘000 Euro drohe und andererseits, dass sie am nächsten Tag nochmals vorstellig werden müssten. «Wir standen tags darauf erneut vier Stunden vor dem Zollamt», sagt Hayoz Jäggi. Kaum habe sich der Beamte angeschickt, das Fahrzeug zu begutachten, rauschte er mit der Begründung, die Frist für die Anmeldung sei bereits abgelaufen, von dannen. Als der Beamte im Dezember in die Weihnachtsferien verreiste, war das Dossier immer noch hängig. Plötzlich ging alles schnell: Das Dossier wurde an einen anderen Zollbeamten übergeben, der am nächsten Tag die Fahrzeuge als Umzugsgut anerkannte und verzollte.
«Statt mit dem Wohnwagen zu reisen, wohnen wir heute in einem Mobilheim», sagt die Auswanderin. «Wir sind zufrieden, leben gelassener und sorgenfreier als in der Schweiz.» Die Spanier seien entspannt, regten sich nicht so schnell auf und seien sowohl offen als auch herzlich. «Wir stehen auf, wenn wir wach sind, nicht weil der Wecker klingelt», sagt Hayoz Jäggi. Von Montag bis Donnerstag arbeite sie ungefähr zwei Stunden als Übersetzerin für ein St.Galler Unternehmen. Mit diesem Lohn kämen sie im Alltag gut über die Runden. Sonst gingen die Arbeiten rund ums Haus nie aus – Edgar sei täglich damit beschäftigt. Auf dem Areal des Mobilheimparks führt der Besitzer eine kleine Bar, in der sich die vornehmlich englischen Auswanderer zu Geburtstagsfeiern und Motto-Partys treffen. «Wir geniessen die Gespräche in gemütlicher Runde mit unseren Nachbarn aus aller Welt», sagt die 61-Jährige. Während das Städtchen Albatera alles zum Leben biete, gebe es im nahen Berggebiet unzählige Wandermöglichkeiten. «Wir geniessen aber vor allem das Wetter, das es uns erlaubt, fast das ganze Jahr draussen zu leben», offenbart die Auswanderin.
An eine Rückkehr denkt das Ehepaar nicht – im Gegenteil: «Solange es uns in Spanien gefällt, bleiben wir und geniessen das Leben», sagt Hayoz Jäggi. Es gebe nichts, das sie an der Schweiz vermissen, dennoch haben die Pensionäre nicht alles Schweizerische abgelegt: «Obwohl wir Siesta abhalten und uns untypisch schweizerisch nicht über alles empören, das nicht auf Anhieb funktioniert, essen wir nicht wie die Spanier um 21 Uhr oder später, sondern gut schweizerisch um 18 Uhr», erklärt die Auswanderin. Zudem verfolgt das Ehepaar nicht nur die politischen Debatten in Spanien, sondern auch in der Schweiz; allerdings mit mehr oder weniger Begeisterung und steigendem Unverständnis. Ihren Schritt auszuwandern, hätten sie keine Sekunde bereut. Schliesslich könne man immer wieder zurück in die Heimat. «Auch wenn wir nicht mehr herumreisen, ist unser Plan voll aufgegangen», sagt das Ehepaar, «wir haben hier alles, um glücklich zu leben.»
Von Benjamin Schmid
Lade Fotos..